Viele Steuerzahler verschenken bei außergewöhnlichen Belastungen bares Geld
Zwei Arten von außergewöhnlichen Belastungen sind steuerlich zu unterscheiden: Für typisierende außergewöhnliche Belastungen (z. B. Unterhaltsleistungen, Ausbildungsfreibetrag, Behinderten-Pauschbetrag) gelten nach § 33 a und § 33 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) besondere Höchst- oder Pauschbeträge. Ein Eigenanteil ist dabei nicht zu berücksichtigen. An den anderen außergewöhnlichen Belastungen (§ 33 EStG ) – auch außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art genannt – beteiligt sich das Finanzamt hingegen nur, wenn die zumutbare Belastung, die Sie selbst tragen müssen, überschritten ist.
Typische Beispiele für andere außergewöhnliche Belastungen sind die Ausgaben bei ● Krankheit ● Kur ● Bestattungen (soweit sie den Wert des Nachlasses übersteigen) ●Wiederbeschaffung von lebensnotwendigen Gegenständen nach einem unabwendbaren Ereignis und ● Beseitigung von Schäden nach einem Unglück (z. B. bei Brand, Unwetter oder Hochwasser). Daneben gibt es aber zahlreiche Einzelfälle, bei denen sich das Finanzamt an Ihren Kosten beteiligt.
Die Kosten für die Führung eines Rechtsstreits sind seit einigen Jahren nur ausnahmsweise als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn es sich um Aufwendungen handelt, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr läuft, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse im üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Die Kosten eines Scheidungsverfahrens sind daher nicht mehr steuermindernd als andere außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
Zumutbare Belastung muss überschritten sein
Zumutbare Belastung
Einkünfte
bis 15.340 €
- Ledige ohne Kinder 5 %
- Ehepaare ohne Kinder 4 %
- Alleinstehende/Ehepaare 1-2 Kinder 2 %
- Alleinstehende/Ehepaare 3 Kinder 1 %
15.341 € bis 51.130 €
- Ledige ohne Kinder 6 %
- Ehepaare ohne Kinder 5 %
- Alleinstehende/Ehepaare 1-2 Kinder 3 %
- Alleinstehende/Ehepaare 3 Kinder 1 %
über 51.130 €
- Ledige ohne Kinder 7 %
- Ehepaare ohne Kinder 6 %
- Alleinstehende/Ehepaare 1-2 Kinder 4 %
- Alleinstehende/Ehepaare 3 Kinder 2 %
Beispiel: Ein Ehepaar mit drei Kindern und einem Gesamtbetrag der Einkünfte für 2022 von 100.000 € macht andere außergewöhnliche Belastungen (u. a. kieferorthopädische Behandlung für die Kinder) in Höhe von 15.000 € geltend. Die zumutbare Belastung wird wie folgt ermittelt:
- bis 15.340 € mal 1 % -> 153,40 €
- 341 € - 51.130 € = 35.789 € mal 1 % -> 357,89 €
- über 51.130 € = 48.870 € mal 2 % -> 977,40 €
- Summe = 488,69 €
Abgerundet beträgt die zumutbare Belastung 1.488 €. Steuermindernd wirken sich somit 13.512 € aus (15.000 € minus 1.488 €).
Tipp: Wegen der zumutbaren Belastung ist es steuerlich lohnend, andere außergewöhnliche Belastungen nicht auf mehrere Jahre zu verteilen, sondern möglichst auf ein Jahr zu konzentrieren. Da es auf den Zahlungszeitpunkt ankommt, besteht hier durchaus Gestaltungsspielraum. So können beispielsweise Zahnersatz und Brille im selben Jahr bezahlt werden.
Wichtig: In der Einkommensteuer-Erklärung sind die Aufwendungen in voller Höhe anzugeben. Die zumutbare Belastung muss vom Steuerpflichtigen nicht abgezogen werden. Das macht das Finanzamt automatisch.
Tipp: Für die wegen des Abzugs der zumutbaren Belastung nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbaren Aufwendungen kann ggf. die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen oder Handwerkerleistungen beantragt werden.
Grundvoraussetzungen für den Abzug als andere außergewöhnliche Belastungen
Eine andere außergewöhnliche Belastung liegt vor, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen.
Die Belastung des Steuerpflichtigen muss dem Grunde und der Höhe nach zwangsläufig sein. Bei Zahlungen in Erfüllung rechtsgeschäftlicher Verpflichtungen ist das regelmäßig nicht der Fall.
Außergewöhnlich sind Aufwendungen, wenn sie nicht nur der Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen und insofern nur einer Minderheit entstehen.
Die typischen Aufwendungen der normalen Lebensführung sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ungeachtet ihrer Höhe im Einzelfall ausgeschlossen.
Ein Steuerpflichtiger ist belastet, wenn ein Ereignis in seiner persönlichen Lebenssphäre ihn zu Ausgaben zwingt, die er selbst endgültig zu tragen hat.
Die Belastung tritt im Zeitpunkt der Zahlung ein. Das gilt auch dann, wenn die Ausgaben über Darlehen finanziert werden.
Ersatz und Unterstützungen von dritter Seite zum Ausgleich der Belastung sind von den berücksichtigungsfähigen Aufwendungen abzusetzen, es sei denn, die vertragsgemäße Erstattung führt zu steuerpflichtigen Einnahmen beim Steuerpflichtigen.
Die Ersatzleistungen sind auch dann abzusetzen, wenn sie erst in einem späteren Kalenderjahr gezahlt werden, der Steuerpflichtige aber bereits in dem Kalenderjahr, in dem die Belastung eingetreten ist, mit der Zahlung rechnen konnte.
Werden Ersatzansprüche gegen Dritte nicht geltend gemacht, entfällt die Zwangsläufigkeit, wobei die Zumutbarkeit Umfang und Intensität der erforderlichen Rechtsverfolgung bestimmt.
Die Geltendmachung der Aufwendungen ist ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige eine allgemein zugängliche und übliche Versicherungsmöglichkeit nicht wahrgenommen hat. Dies gilt auch, wenn lebensnotwendige Vermögensgegenstände, wie Hausrat und Kleidung, wiederbeschafft werden müssen.
Anzurechnende Leistungen aus einer Hausratversicherung sind nicht aufzuteilen in einen Betrag, der auf allgemein notwendigen und angemessenen Hausrat entfällt, und in einen solchen, der die Wiederbeschaffung von Gegenständen und Kleidungsstücken gehobenen Anspruchs ermöglichen soll.
Die Erlangung eines Gegenwerts schließt insoweit die Belastung des Steuerpflichtigen aus. Einen Gegenwert erhält der Steuerpflichtige, wenn der betreffende Gegenstand oder die bestellte Leistung eine gewisse Marktfähigkeit besitzen, die in einem bestimmten Verkehrswert zum Ausdruck kommt.
Ein eigenes (ursächliches) Verschulden schließt die Berücksichtigung von Aufwendungen zur Wiederherstellung von Vermögensgegenständen aus.
Zwangsläufigkeit dem Grunde nach ist in der Regel auf Aufwendungen des Steuerpflichtigen für sich selbst oder für nahe Angehörige beschränkt. Begünstigt sind auch die Aufwendungen für steuerlich zu berücksichtigende Kinder. Aufwendungen für andere Personen, die keine nahen Angehörigen sind, können diese Voraussetzung nur ausnahmsweise erfüllen, wenn eine sittliche Verpflichtung besteht.
Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, sind auch dann keine außergewöhnlichen Belastungen, wenn sich diese steuerlich tatsächlich nicht ausgewirkt haben.
Beispiele für andere außergewöhnliche Belastungen
- Kosten für behindertengerechten Umbau eines selbstbewohnten Hauses oder einer Wohnung. Diese stehen so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit, dass auch die etwaige Erlangung eines Gegenwerts in Anbetracht der Gesamtumstände des Einzelfalles in den Hintergrund tritt.
Tipp: Abziehbar sind auch notwendige Folgekosten. Das gilt zum Beispiel beim behinderungsbedingten Einbau einer rollstuhlgerechten Dusche für die Erneuerung von Wandfliesen und Armaturen, die durch den Ausbau der alten Duschwanne zumindest teilweise beschädigt wurden bzw. an die neue Tiefe der Dusche angepasst werden müssen.
Mehrkosten für die Anschaffung eines größeren Grundstücks zum Bau eines behindertengerechten Bungalows sind hingegen nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
- Krankheitsbedingte Aufwendungen für einen Treppenlift.
Tipp: Falls der Einbau eines Treppenlifts auf Grund der tatsächlichen Gegebenheiten nicht möglich, muss das Finanzamt sogar die krankheitsbedingten Aufwendungen für einen Fahrstuhl als außergewöhnliche Belastungen anerkennen.
- Kosten für behindertengerechte Umrüstung eines Kfz (nicht aber für den Umbaus einer Motoryacht).
- Kosten für krankheitsbedingte Unterbringung eines Angehörigen in einem Wohnstift oder einem Altenpflegeheim. Soweit derartige Aufwendungen im Rahmen des Üblichen liegen, sind sie nach den für Krankheitskosten geltenden Grundsätzen zu berücksichtigen. Abziehbar sind danach neben den konkret angefallenen und in Rechnung gestellten Pflegekosten dem Grunde nach auch die Unterbringungskosten bzw. das Pauschalentgelt für die Nutzung der Wohnung im Wohnstift abzüglich einer Haushaltsersparnis
- Aufwendungen einer empfängnisunfähigen (unfruchtbaren) Frau für eine heterologe künstliche Befruchtung durch In-vitro-Fertilisation (IVF). Das gilt auch dann, wenn die Frau in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt.
- Aufwendungen zur Behandlung einer krankheitsbedingten Lese- und Rechtschreibschwäche (Legasthenie).
- Lösegeldzahlungen.
- Kosten für eine logopädische Therapie.
- Kosten für eine Umschulung wegen Arbeitsunfähigkeit.
- Kosten für einen Umzug, der wegen Allergiebeschwerden notwendig wurde.
- Aufwendungen für eine Ausreiseerlaubnis.
- Führerscheinkosten für ein schwer geh- und stehbehindertes Kind.
- Geldstrafe, die von einem ausländischen Gericht verhängt wurde und nach deutschem Rechtsempfinden als offensichtliches Unrecht erscheint.
Stand: 27.02.2022